Ultra-Processed Food – Eine differenzierte Perspektive

In den letzten Jahren ist der Begriff UPF, Ultra-Processed Food (hochverarbeitete Lebensmittel), zu einem Schlagwort geworden – oft mit negativem Beiklang. Aber ist die Geschichte wirklich so einfach? Wir sprachen mit Dr. Paul Sheldrake, Director Innovation & Development bei der Healy Group in Großbritannien und Irland, über seine Sicht auf die Debatte und die Rolle verantwortungsvoll verarbeiteter, pflanzenbasierter Zutaten für die Zukunft unserer Ernährung.
DER BEGRIFF „ULTRA-PROCESSED FOOD“ IST DERZEIT IN ALLER MUNDE. WARUM BEKOMMT ER SO VIEL AUFMERKSAMKEIT?
Es ist definitiv ein heißes Thema. UPFs werden oft mit schlechter Ernährung und Gesundheitsrisiken in Verbindung gebracht, weshalb viele Menschen dabei sofort an Softdrinks oder Fast Food denken. Aber die Kategorie ist viel breiter. Sie umfasst auch pflanzliche Milchalternativen, proteinreiche Riegel oder ballaststoffangereicherte Brote.
Eine britische Studie aus dem Jahr 2024 zeigte, dass 73 % der Erwachsenen den Begriff kennen und 58 % angeben, dass er ihr Ernährungsverhalten beeinflusst. Dieses Bewusstsein ist grundsätzlich positiv – zeigt aber auch, wie leicht das Thema vereinfacht wird. Das Etikett allein sagt noch nichts darüber aus, ob ein Produkt gut oder schlecht für uns ist.
WAS BEDEUTET „ULTRA-PROCESSED FOOD“ EIGENTLICH GENAU?
Die Klassifizierung stammt aus dem sogenannten NOVA-System, das Lebensmittel in vier Gruppen einteilt. Gruppe 4 – „Ultra Processed“ – umfasst Produkte, die Zutaten enthalten, die man typischerweise nicht in einer heimischen Küche findet, etwa Emulgatoren oder Stabilisatoren. Aber die Zugehörigkeit zu Gruppe 4 ist kein automatisches Warnsignal. Sie beschreibt, wie ein Produkt hergestellt wird, nicht wie gesund es ist – und genau hier braucht es mehr Differenzierung.
VIELE MENSCHEN SETZEN „ULTRA PROCESSED“ GLEICH MIT „UNGESUND“. WIE ERKLÄREN SIE DEN UNTERSCHIED?
Die Verarbeitung an sich ist nicht das Problem – entscheidend ist, warum und wie sie erfolgt. Verantwortungsvolle Verarbeitung sorgt für sichere, haltbare und nährstoffreiche Lebensmittel. Für uns geht es um Funktionalität und Nachhaltigkeit, nicht darum, minderwertige Zutaten zu kaschieren. Wir entwickeln Clean-Label-, pflanzenbasierte und ressourcenschonende Lösungen, die zu einer besseren Ernährung beitragen.
MIT WELCHEN ARTEN VON ZUTATEN ARBEITEN SIE – UND WIE HÄNGEN DIESE MIT DER UPF-DISKUSSION ZUSAMMEN?
Wir verfügen über ein breites Netzwerk an Lieferpartnern und Lösungen, die wir gemeinsam mit unseren Kunden einsetzen. Wichtig ist, genau zu verstehen, was sie brauchen – und wie das mit ihren Herausforderungen rund um UPFs zusammenhängt. Aktuell sehen wir drei Zentrale Markttreiber:
- Clean Label: Verbraucher wünschen sich kurze, verständliche Zutatenlisten – auch wenn das nicht immer automatisch eine bessere Nährwertqualität bedeutet.
- Bessere Ernährung: Produktentwickler sollten sich stärker auf die Darmgesundheit konzentrieren – etwa durch den Einsatz von Ballaststoffen und symbiotischen Komponenten wie Prä-, Post- und Probiotika.
- Nachhaltigkeit und Erschwinglichkeit: Umweltverantwortung und wirtschaftliche Realität müssen im Gleichgewicht bleiben.
Der Fokus der Emsland Group auf natürliche Rohstoffe – Kartoffeln und Erbsen – passt hier perfekt. Durch sorgfältige Verarbeitung entstehen:
- Stärken & Flocken als natürliche Binder und Texturgeber in Suppen, Soßen und Fertiggerichten.
- Proteine als nachhaltige, pflanzenbasierte Alternativen zu tierischem Eiweiß.
- Ballaststoffe, die Backwaren, Snacks und Fleischalternativen zusätzliche Funktionalität und Nährwert verleihen.
- Kartoffelgranulate, die Struktur und Textur in Snacks und Instantprodukten bieten.
Diese Produkte sind die Bausteine moderner Lebensmittel – unerlässlich für Innovation, Komfort und Nährwertqualität.
WIE TRAGEN ZUTATEN AUF BASIS VON KARTOFFELN UND ERBSEN ZU GESÜNDEREN UND NACHHALTIGEREN ERNÄHRUNGSWEISEN BEI?
Sie helfen, die Abhängigkeit von tierischen Quellen zu verringern, reduzieren den CO₂-Fußabdruck und verbessern die Ressourceneffizienz. Erbsenproteine, zum Beispiel, sind hochfunktional und tatsächlich nährstoffreich. Sie unterstützen den Wandel hin zu flexitarischen und pflanzenbasierten Ernährungsstilen – ein Trend, der bleibt und sich insbesondere in Europa weiter beschleunigt.
WAS WISSEN WIR ÜBER DIE VERBRAUCHERWAHRNEHMUNG VON UPFS UND CLEAN LABEL?
Die britische Food Standards Agency fand heraus, dass 77 % der Verbraucher „Ultra-Processed Food“ mit Sorge betrachten – kein Wunder also, dass der Begriff starke Reaktionen auslöst. Dennoch wünschen sich die Menschen weiterhin Bequemlichkeit, pflanzenbasierte Innovationen und angereicherte Lebensmittel – viele davon zählen technisch zu den UPFs.
Laut der ATLAS-Studie 2023 von Ingredion prüfen 44 % der Verbraucher Zutaten- und Nährwertangaben häufiger als noch 2020. Die Menschen wünschen sich Transparenz – kurze, klare Label – und genau hier leisten unsere Zutaten einen Beitrag. Wichtig ist eine faktenbasierte, ausgewogene Kommunikation, um Fehlinformationen entgegenzuwirken, die sich online schnell verbreiten.
KÖNNEN SIE EIN BEISPIEL NENNEN, BEI DEM VERARBEITUNG EINEN POSITIVEN EFFEKT HAT?
Auf jeden Fall. Verarbeitung verlängert die Haltbarkeit und reduziert so Lebensmittelverschwendung – ein großer Nachhaltigkeitsgewinn. Sie kann außerdem die Bioverfügbarkeit von Nährstoffen erhöhen und für gleichbleibende Sicherheit und Qualität sorgen. Denken Sie an angereicherte Brote, haltbare Suppen oder pflanzliche Fleischalternativen – all das ist durch verantwortungsvolle Verarbeitung möglich. Und weniger Abfall bedeutet letztlich auch erschwinglichere Lebensmittel.
WELCHE VERANTWORTUNG TRAGEN PRODUZIERENDE UNTERNEHMEN WIE DIE EMSLAND GROUP BEI DER GESTALTUNG DER ERNÄHRUNG DER ZUKUNFT?
Eine sehr große. Unsere Aufgabe ist es, gemeinsam mit Lebensmittelherstellern Produkte zu entwickeln, die gesund, nachhaltig und wirtschaftlich tragfähig sind. Das bedeutet: Rohstoffe verantwortungsvoll zu beschaffen, sie schonend zu verarbeiten und unsere Kunden mit Transparenz und technischer Expertise zu unterstützen.
ABSCHLIESSEND – WAS WÜRDEN SIE DENJENIGEN SAGEN, DIE BEIM BEGRIFF „ULTRA-PROCESSED FOOD“ SOFORT AN ETWAS NEGATIVES DENKEN?
Man sollte ein Lebensmittel nicht allein nach dem Etikett beurteilen. Verarbeitung kann Sicherheit, Nährwert und Nachhaltigkeit verbessern. Die entscheidende Frage ist die nach Qualität und Zweck. Wenn sie verantwortungsvoll erfolgt – mit funktionellen, pflanzenbasierten und transparenten Zutaten – können hochverarbeitete Lebensmittel tatsächlich Teil der Lösung für eine gesündere, nachhaltigere Ernährung sein.
Quellen:
- Boylan, S. et al. (2024). Awareness and perceptions of ultra-processed foods in UK adults. Public Health Nutrition, PubMed ID: 39123509.
- UK Food Standards Agency (2024). Consumer Insights Tracker – Concerns about Ultra-Processed Foods. acss.food.gov.uk.
- Ingredion (2023). ATLAS Global Consumer Trends Survey – Food Preference Trends. ingredion.com.
